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Gedankennahrung

Essen zu fotografieren ist eines der Dinge, die einfach zu sein scheinen. Was könnte schon schwer daran sein, etwas zu fotografieren, das toll aussieht, sich nicht bewegt und nicht in die Kamera lächeln muss? Das sollte doch ein Klacks sein, oder? Und dann noch die Nebeneinnahmen… ein paar schnelle Schnappschüsse, bevor man sich in der Freizeit hinsetzt, um in einem gehobenen Restaurant zu essen. Traumjob!

 

Ok, es ist Zeit, einiges richtig zu stellen. Fotografie ist, wie wir wissen, für alle einfach… außer für die Fotografen!

 

Ich fotografiere nun schon seit einigen Jahren Essen, meist vor Ort für Magazine und Buchverlage und ich kann Ihnen sagen, dass es nicht so einfach ist. Und bei der Hälfte der Shootings bekomme ich nicht einmal etwas zu essen. Wenn ich beispielsweise mit einem Magazin reise, läuft das für gewöhnlich so ab: Wir kommen im Restaurant an und der Journalist genießt sein Mittagessen beim Gespräch mit dem Eigentümer, dabei machen sie eine gute Flasche Wein auf. Ich ziehe mich derweil in eine ruhige Ecke zurück, um ja niemanden zu stören und versuche die nächste Stunde lang, ein paar gescheite Fotos von allem zu erhaschen, das der Kellner mir bringt. Bis das Mittagessen vorbei ist, ist mein Essen kalt und trocken und ich habe nichts als ein paar Stücken Brot gegessen. Der Journalist hingegen ist glücklich, wohl genährt und aufbruchsbereit!

 

Natürlich will ich mich nicht beschweren. Es ist ein toller Job und ich bekomme leckere Sachen zu essen. Es ist jedoch niemals einfach, Essen gut zu fotografieren. Hingegen ist es sehr einfach, es schlecht zu fotografieren. Deshalb sind hier einige Tipps, die ich zusammengestellt habe, um Sie mühelos durch Ihr nächstes Shooting zu begleiten. Ich werde mich mit den aus meiner Sicht wichtigsten Aspekten befassen: Ausrüstung, Ort, Perspektive und Beleuchtung.

 


Eine ungewöhnliche Platzierung, aber sie funktioniert und das ist alles, das zählt. Beachten Sie, dass die Fokuslinie diagonal durch den Bildausschnitt verläuft, dank einem Zörk-Multifokus-Objektiv. The Flavours of Tuscany. ed. Sime Books (Die Aromen der Toskana, Herausgeber Sime Books)

AUSRÜSTUNG

Da ich vor Ort und meist ohne Assistenten arbeite, muss ich meine Ausrüstung auf ein Minimum begrenzen. Das bedeutet:

KameraNikon D800. Wenn ich reise eine Fuji X-pro2.

Objektive  – Nikkor oder Fujinon 60mm Makro, vielleicht ein Lensbaby Edge 80

HalterungManfrotto 055 Karbonfaser-Stativ, Manfrotto 410 Getriebeneiger Junior, Manfrotto Nano Stative, Manfrotto Mini Spring Clamp. Auf Reisen nur das Stativ, der Kopf und ein leichter Ständer.

Belichtung – Elinchrom Quadra mit zwei Köpfen. Auf Reisen verwende ich eine Nikon SB-800.

Modifikatoren – Elinchrom Durchblitz-Schirm, Elinchrom Reflektor und Gitter, Lastolite Reflektor und ein kleiner flexibler Spiegel. Auf Reisen genügen mir der Spiegel und ein Durchblitz-Schirm.

 

Das klingt vielleicht nach viel, aber das ist es eigentlich nicht. Ich nutze einen Rollkoffer, um alles zu transportieren, oder auf Reisen einen kleinen Rucksack.

ORT

Trotz der langen Liste an Beleuchtung und Modifikatoren brauche ich gar nichts davon, wenn es gut läuft!

Das beste Licht zum Fotografieren von Essen ist Naturlicht, daher suche ich, wenn ich an einem Ort ankomme, in den ersten Minuten nach interessanten Orte, an denen ich die Speisen von ihrer besten Seite zeigen kann. Meine Auswahl basiert meist auf zwei Faktoren: Licht und Hintergrund.

In Sachen Licht suche ich nach einem Tisch in der Nähe eines Fensters, auf den ein wenig Licht einstrahlt. Oder wenn es einen Garten oder eine Terrasse gibt, suche ich mir dort einen Platz. Diese Orte werden meine ‚Sets‘ und ich zeige den Kellnern, wo ich arbeiten werde, damit sie alles vorbereiten können.

 

In Sachen Hintergrund will ich entweder eine einfache Tischdecke und das übliche Besteck, Gläser usw. Oder ich suche nach einem etwas anderen Ansatz: Holzoberflächen, alte Materialien, kleine Ecken der Möbel, Stühle, Steinböden, Blätter usw… alles, das gut mit dem Gericht oder dem Ort (oder dem Auftrag) harmoniert, um ein interessantes Bild zu erschaffen. Mich stört es nicht, die Regeln zu brechen und die Dinge an seltsame Orte zu legen, wenn es visuell funktioniert.

Manchmal gibt es natürlich kein Tageslicht und keine Terrasse oder es ist Nacht oder es regnet, oder es ist zwar sonnig, aber die Sonne steht falsch. Dann durchforste ich mein Kit, um mein eigenes Licht zu erzeugen oder das vorhandene Licht zu modifizieren. In diesem Fall richtet sich die Wahl des Ortes rein nach dem Hintergrund.

 

 PERSPEKTIVE

Es gibt im Allgemeinen drei Perspektiven beim Umgang mit Essen: von oben, von der Seite und von irgendwo dazwischen. Jedes Gericht kommt in einem bestimmten Winkel am besten zur Geltung, darum frage ich meist den Koch, was die ‚Vorderseite‘ des Gerichtes ist, damit ich weiß, wie er es dem Gast am Tisch gern präsentieren möchte. Dann schließe ich ein Auge und bewege mich, bis ich den richtigen Winkel finde. Allgemein schaue ich, ob ich das Gericht lesen kann, damit meine ich, ob ich die Hauptbestandteile sehen kann, die Höhe oder Schichten, die Oberflächen, Farben, Winkel. Generell sehen flache Speisen von oben am besten aus und strukturierte Gerichte mit einer gewissen Höhe lassen sich am besten von der Seite fotografieren. Alles andere liegt irgendwo in der Mitte und es kommt letztlich auf den visuellen Geschmack des Fotografen an.

 


Drei Perspektiven für drei verschiedene Gerichte. Fotografiert vor Ort für Sweet Venice. ed. Sime Books (Süßes Venedig, Herausgeber Sime Books)

 

Sobald ich mich für einen Blickpunkt entschieden habe, beginne ich an den Hintergrundobjekten zu arbeiten, ich verschiebe die Dinge leicht, um den Bildaufbau auszugleichen oder eine Atmosphäre zu schaffen, die etwas über den Standort suggeriert. Für mich ist weniger mehr. Am liebsten verwende ich nur einige wenige Gegenstände, die rund um das Gericht im Bildausschnitt sind, häufig verschwommen, um eine Präsenz anzudeuten, das Hauptaugenmerk aber auf dem Essen zu belassen. Meist fotografiere ich nur ein oder zwei Optionen für jedes Gericht. An diesem Punkt arbeite ich gern ganz ruhig. Es ist eine Art Zen-Moment für mich. Ich konzentriere mich lieber darauf, eine gute Aufnahme zu erzielen als auf ‚Foto-Bombing‘ in der Hoffnung, dass schon irgendetwas funktionieren wird.

 

Sie können Objekte sowohl vor als auch hinter der Speise platzieren. Wenn Sie ein Glas oder eine Flasche Wein ins Bild einbeziehen, achten Sie nur darauf, dass er weiß für Fischgerichte und rot für Fleisch und so weiter ist. Fragen Sie im Zweifel den Kellner. Auch das Besteck sollte immer das richtige für die jeweilige Speise sein. Das klingt offensichtlich, doch in der Hitze des Gefechts passieren hier leicht Fehler.

 

Übrigens: Beschränken Sie sich nicht darauf, nur ‚Essen auf dem Teller‘ zu fotografieren. Oft lassen sich bessere Bilder finden, während der Koch das Essen noch zubereitet oder während er ihm den letzten Feinschliff gibt, wie ein Spritzer Öl oder etwas geriebener Käse.


Manchmal lassen sich tolle Aufnahmen erzielen, während das Gericht noch vorbereitet wird.

 

Was die Linsen betrifft, so verwende ich fast immer eine 60mm oder 90mm Makro und wähle eine Blendenöffnung, die mir so viel Tiefenschärfe gibt, dass der wichtige Teil des Gerichts abgedeckt ist. Manchmal entscheide ich mich für eine größere Blendenöffnung, um ein Gefühl der Vertrautheit zu erzeugen, in anderen Fällen eine kleinere Blendenöffnung, um etwas mehr Fokus zu halten. Früher habe ich viel mit Linsen gearbeitet, die Tilt-Bewegungen ermöglichten, wie die Lensbaby Edge 80 oder das Zörk-Multifokus-Objektiv. Mit diesen können Sie eine Fokuslinie erzeugen, die direkt durch das Bild verläuft, und so bestimmte Teile des Gerichts hervorheben und zugleich die Intimität einer großen Blendenöffnung bewahren. Das ist ziemlich cool, aber in letzter Zeit nutze ich diesen Effekt weniger.


Tageslicht und einfache Hintergründe halten den Fokus auf dem Essen. The Flavours of Apulia and The Flavours of Tuscany. ed. Sime Books (Die Aromen Apuliens und die Aromen der Toskana, Herausgeber Sime Books)

 

BELEUCHTUNG

Wie zuvor erwähnt sieht Essen unter Tageslicht wunderbar aus. Schrecklich sieht es unter dem Wolframlicht eines Restaurants aus oder wenn es direkt von einer Blitzkamera beleuchtet wird. Selbst mit einem gut platzierten, weich gezeichneten externen Blitz wird das Essen ein wenig nach Plastik ausschauen. Wann immer möglich lautet die Antwort daher: Nutzen Sie Tageslicht.

 

Es gibt zwei wirklich wichtige Faktoren, die Sie berücksichtigen müssen, wenn es ums Licht geht. Der erste ist die Qualität des Lichts und der zweite ist seine Richtung. All die Ausstattung, die ich zuvor aufgezählt habe, dient dazu, mir Kontrolle über diese beiden Faktoren zu verschaffen.


Ich habe das Gericht auf einem alten Hocker im Schatten hinter dem Restaurants platziert und dann einen kleinen Spiegel verwendet, um ein wenig Licht in die Pasta zu bringen und ihr so einen kleinen Kick zu geben. The Flavours of Apulia ed. Sime Books (Die Aromen Apuliens, Herausgeber Sime Books)

 

 

Die Qualität des Lichts ändert sich je nach seiner Größe im Vergleich zum Motiv. Eine kleine Lichtquelle erzeugt ein härteres, kontrastreicheres Licht mit starken Schatten. Eine große Lichtquelle erzeugt ein weicheres, weniger kontrastreiches Licht mit weicheren Schatten. Die Sonne ist beispielsweise eine kleine Lichtquelle und erzeugt daher ein hartes Licht. Ein bewölkter Himmel ist das genaue Gegenteil. Mit Hilfe meiner Modifikatoren kann ich diese beiden Eigenschaften steuern und das Licht ganz nach Bedarf weicher oder härter machen. Zudem kann ich ganz allein mein eigenes hartes oder weiches Licht erzeugen oder Tageslicht mit etwas eigenem Licht mischen. Das alles macht viel Spaß. Sobald Sie Ihre Beleuchtung im Griff haben, wird alles möglich.


Ein Blitz mit einem Wabengitter darüber, niedrig an einer Seite platziert, erzeugte ein hartes Licht, um diese Salzkristalle zum Leuchten zu bringen und einige interessante Schatten zu erzeugen. Cioccolatini. Herausgeber Bibliotheca Culinaria

 

Die Richtung des Lichts ist ein weiterer entscheidender Faktor. Wie bei den meisten Gebieten der Fotografie gilt auch hier, dass ein Licht, das leicht hinter dem Motiv ankommt, die Textur hervorhebt und ein Gefühl von Tiefe verleiht. Essen sieht toll aus, wenn es von hinten oder von der Seite beleuchtet wird, wenn ich mein Gericht platziere, positioniere ich es daher so, dass ich das Licht optimal nutzen kann.

 

Bei all diesem Hintergrundlicht wollen Sie die Schatten vorne am Gericht ausfüllen, meist erledigt ein kleiner Lastolite-Reflektor das gut. Wenn Sie einen Hauch von Drama verleihen oder einen bestimmten Teil des Gerichts hervorheben möchten, können Sie ein wenig Blitz mit einem Gitterreflektor hinzufügen, der so eingestellt ist, dass er einen schmalen Lichtstrahl erzeugt. Eines der nützlichsten Objekte in meiner Tasche ist eigentlich das billigste… ein wirklich einfaches Stück Plexiglas-Spiegel, das ich mit Hilfe einer Manfrotto Mini Spring Clamp auf den Tisch stelle. Ich nutze es, um natürliches Glanzlicht auf dem Teller oder ein subtileres Fülllicht zu erzeugen, je nachdem, wie ich es positioniere.


Verfügbares Licht plus ein wenig Blitz von hinten, um Textur und Glanzpunkte zu erzeugen. Ein Lastolite-Reflektor füllte die Schatten an der Vorderseite auf. Cucina di Montagna, Trentino. Herausgeber Bibliotheca Culinaria

 

Bedenken Sie, dass ich fast ausschließlich auf einem Stativ (Manfrotto 055) fotografiere, damit ich meinen Bildausschnitt sehr präzise wählen und fokussieren kann, und dabei bei Bedarf auch längere Belichtungszeiten nutzen kann. Dank der Flexibilität der Manfrotto 055 kann ich das Essen auch von oben fotografieren, da ich das mittlere Standbein horizontal ausstrecken und so direkt über der Speise platzieren kann. Mein Stativ ist mit einem Manfrotto 410 Getriebeneiger Junior ausgestattet. Das wiegt mehr als ein Kugelkopf, aber ich liebe einfach die Präzision, die es mir bietet und mir fällt es aktuell schwer, ohne es zu arbeiten.


Links etwas tolles frisches Tageslicht und ein gut platzierter Stuhl zur Aufteilung des Hintergrunds. Rechts ein kurzer Blitz und ein wenig Trockeneis, was eine super Atmosphäre schafft. Achten Sie in beiden Fällen darauf, wie die Farben des Essens auf den Hintergrund abgestimmt sind. Cucina di Montagna, Trentino. Herausgeber Bibliotheca Culinaria

 

Nur als Zusammenfassung:

  1. Wählen Sie den richtigen Ort. Haben Sie keine Angst, die Regeln zu brechen.
  2. Finden Sie die Perspektive, die das Essen am besten beschreibt, und versuchen Sie, in dem Bild ein Gefühl der Vertrautheit zu erzeugen. Fügen Sie wenn nötig ein paar Objekte ein und übernehmen Sie die Kontrolle über Ihren Bildaufbau, sodass alles im Bildausschnitt aus gutem Grund da ist.
  3. Machen Sie sich Gedanken über die Beleuchtung und denken Sie daran, dass ein Gegen- oder Seitenlicht in den meisten Fällen am besten funktioniert.
  4. Entspannen Sie sich und haben Sie Spaß. Wenn Sie gestresst sind, wird es nicht funktionieren.

 

LAST BUT NOT LEAST

Sie haben es fast geschafft. Aber bevor Sie alles einpacken, vergessen Sie nicht, sich den Namen des Kochs und der fotografierten Speisen zu notieren. Diese Infos brauchen Sie für die Bildunterschriften.

Nun geben Sie noch dem Lokalbetreiber Ihre Geschäftskarte und wenn Sie Glück haben, wird er Sie fragen, ob Sie einen Happen zu essen möchten, bevor Sie gehen. Ahh, die Nebeneinkünfte des Jobs, na endlich!

 

 

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Colin Dutton wurde 1966 in London geboren. Nach einem Studium der Dokumentarfotografie an der Universität von Wales zog Colin 2002 nach Italien, wo er gemeinsam mit seiner Frau und seinen Kindern lebt. Er ist Profifotograf mit Kunden auf der ganzen Welt und hat sich auf Interieurfotografie, redaktionelle und Werbefotografie On-Location spezialisiert. Neben seiner beruflichen Tätigkeit arbeitet Colin an seinen persönlichen Projekten für Bücher und Ausstellungen und hält Vorträge und Workshops zum Thema Fotografie.

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